drawn together

08/05/17–08/13/17 Melanie Dorfer
Nadjana Mohr
Vernissage:
Friday, Aug 4
at 7 pm
Finissage:
Sunday, Aug 13
at 7 pm

Vernissage with intro­duc­tion by Manuel van der Veen

with the friend­ly assis­tance of
Lan­des­bank Baden-Würt­tem­berg (LBBW)
and Cul­ture Bureau Karl­sruhe

Intro­duc­tion text:

Die Ausstel­lung Drawn Togeth­er von Melanie Dor­fer und Nad­jana Mohr ist eine Begeg­nung, ein fre­und­schaftlich­es Aufeinan­der­stoßen. Die bei­den Ausstel­len­den haben nun schon seit einiger Zeit ihre Arbeit­en nebeneinan­der, miteinan­der und gegeneinan­der entwick­elt. Nad­jana Mohr gener­iert ihre Arbeit­en in einem flir­ren­dem Valeur von Graustufen, zwis­chen Schwarz und Weiß, während Melanie Dor­fers Arbeit­en in grellen Far­ben funkeln. Latenz gegen leuch­t­ende Ober­fläche. Die Hand reichen sich die bei­den durch das Mate­r­i­al Lack. Fließende Lack­lachen und pochende Adern. Drawn Togeth­er — ein Gegenüber!

Manuel van der Veen

Address:

Nad­jana Mohr und Melanie Dor­fer ken­nen sich schon lange. Was nicht bedeutet, dass die Sache ein­fach­er wird. Es heißt, dass diese Arbeit­en sich heute nicht zum ersten mal begeg­nen, son­dern sich seit langem nebeneinan­der, miteinan­der und auch gegeneinan­der entwick­eln. Posi­tio­nen die voneinan­der gel­ernt haben, sich voneinan­der abzu­gren­zen. Es ist nicht ganz ein­fach eine Gemein­samkeit der Werke zu benen­nen, aber es ist eben­so schwierig einen Unter­schied fest zu stellen, der nicht zu sim­pel ist. Selb­stver­ständlich kön­nte man über die Far­ben sprechen, schwarz und weiß und die Far­ben, die auf der Skala dazwis­chen posi­tion­iert sind. Aber hat das Grau in Grau nicht einen schillern­den Ver­lauf und behauptet nicht das Mono­chrom eine ähn­liche Eng­stirnigkeit. Man kön­nte auch über die zack­i­gen Lin­ien sprechen von Nad­jana Mohr und die organ­is­chen For­men von Melanie Dor­fer, aber ich möchte etwas ganz anderes tun.

Ich habe in let­zter Zeit viel über Faul­heit nachgedacht. Warum man eigentlich über Faul­heit lästert, wann Faul­heit ange­bracht wäre, ob die Faulen wis­sen, dass sie faul sind und was man eigentlich tun soll, wenn es nichts zu tun gibt. In ein­er Gesellschaft, die von der Gle­ichung: Tun = Ergeb­nis lebt, tren­nen die Faulen, das Tun vom Ergeb­nis. Sie bleiben zu Hause, mit dem Satz “Wenn ich würde, dann kön­nte ich”. Sie genießen das Ergeb­nis ohne etwas dafür zu tun. Sie übernehmen einen Zus­tand, ohne ihn zu erar­beit­en und denken es wäre das­selbe. Das Tun übernehmen Andere, die Faulen lehnen sich zurück und prof­i­tieren. Die Faulen tren­nen das Tun vom Ergeb­nis.

Man kann nun die Frage stellen: Was wäre denn ein faules Bild? Es wäre ein Bild, welch­es ohne Tun, ohne Bear­beitung ein­fach über­nom­men wird. Ein Ergeb­nis so vorge­fun­den und beansprucht, ohne gedankliche Zwis­chenar­beit, ohne jegliche Trans­for­ma­tion. Ein Schnapp­schuss ohne zufäl­lige Clev­er­ness. Eine direk­te Über­set­zung ohne Gefühl für die unter­schiedliche Sprache des Mate­ri­als oder des Medi­ums. Ich spreche nicht vom Ready-Made. Die Arbeit dort steckt dann zwar nicht im Gegen­stand, aber in der genauen Ken­nt­nis, sowohl des herkömm­lichen, als auch des neuen Ortes. Ich spreche von Bildern, welche angeeignet wer­den ohne Ein­ver­lei­bung — zu viel Kun­st bedi­ent sich dieser Meth­ode. Wir sind umgeben von ein­er Vielzahl an Bildern und es stellt sich die Frage, ob es Sinn macht noch mehr Bilder hinzuzufü­gen. Aber ja, zu viele blinde und faule Bilder. Ein faules Bild ist ein vorge­fun­denes Ergeb­nis, eine bloße Doku­men­ta­tion, eine Beschrei­bung, die ohne Tun, ohne Mod­u­la­tion, ohne Wider­stand, geschluckt und kon­sum­iert wird, ohne mehr als einen Fin­ger zu bewe­gen.

Aber auch Bilder, welche aus dem bloßen Tun beste­hen, auf die ein­fach nur draufge­hal­ten wird, ohne etwas zu sagen, sind blinde Bilder, man tut etwas ohne Punkt. Man befind­et sich im blind­en Tun, man macht und macht, kleckst herum, trifft keine Entschei­dun­gen und kommt nicht zum Ende, entzieht sich ein­er Stel­lung­nahme.

Delacroix schreibt am 2. Sep­tem­ber 1854 in sein Tage­buch: “Die Gelehrten tun alles in allem nichts anderes, als in der Natur das zu find­en, was darin ist. Der Gelehrte ent­deckt die Ele­mente der Dinge, wenn man so will, und der Kün­stler kom­poniert und erfind­et Ele­mente, die dort, wo sie sind, keinen Wert haben. Beim Maler wird die Aus­führung nur unter der Bedin­gung schön sein, daß er es sich vor­be­hal­ten haben wird, sich ein wenig gehen zu lassen, im Tun zu find­en.”

In der Malerei, so lese ich, find­et man das Ergeb­nis im Tun, das nen­nt Delacroix eine Erfind­ung. So wird wed­er die Gle­ichung bedi­ent, noch lässt man sie fall­en, und fällt faul in den Ses­sel.

Ich erzäh­le das, weil ich denke diese Arbeit­en, hier an diesem Ort, öff­nen ein spezielles Ver­hält­nis zwis­chen Tun und Ergeb­nis, durch dass sie sich beschreiben lassen. Sie sind wed­er faule Bilder noch bloßes Tun, sie gener­ieren sich aus Kon­stel­la­tio­nen von Tun und Ergeb­nis, welche nicht in ein­er ein­fachen Gle­ichung aufge­hen.

Bei Melanie Dor­fer ein stetiges Wech­sel­spiel, bei dem Tun und Ergeb­nis auf Augen­höhe liegen. Auf ein Tun der Farbe fol­gt ein Ergeb­nis fol­gt das Tun eines Ein­griffes. Sie steckt dem Lack einen Rah­men ab, gibt dem Mate­r­i­al, der Farbe freie Hand, sich der Grav­i­ta­tion, dem Fließen zu über­lassen, Struk­turen zu bilden und Glanz­grade zu schaf­fen. Aber dann wenn der Lack sich entsch­ieden hat, reagiert sie auf das Ergeb­nis mit Tun. Nutzt die lim­i­tierte Kon­trolle. Schicht um Schicht posi­tion­iert sie sich vor dem Ergeb­nis, um etwas zu erwidern.
Im Prinzip malt sie unaufhör­lich die Lein­wand selb­st und die Lein­wand selb­st malt.
Das kann man bei ihr nicht direkt sehen, was entschei­dend ist. Man sagt bei Frank Stel­la entschei­det der Rand des Rah­mens über das ganze Bild. Aber auch bei Melanie Dor­fer: ohne die vier Eck­en des Rah­mens und die Span­nung der Lein­wand gäbe es absur­der­weise keinen Kreis. Doch trotz dieser boden­ständi­gen Beschäf­ti­gung mit dem Mate­r­i­al der Lein­wand und der Farbe wirken diese Malereien in ihrem facetten­re­ichen Schim­mern, ihrer überirdis­chen Struk­tur, als wären sie nicht von Hand gemacht. Ergeb­nis und Tun durch­laufen einen vielschichti­gen Prozess. So wie die Farbe sich vere­inigt und abstößt, so fügt Melanie Dor­fer etwas hinzu und lehnt anderes ab.
Mit pochen­dem Zen­trum pumpen die Malereien einen Strom von porösen Par­tikel über das Gewebe der Lein­wand.

Während Nad­jana Mohr sich zwis­chen zwei Ergeb­nis­sen, dem bloßen Tun, der Arbeit mit dem Pin­sel ver­ant­wortet Sie bedi­ent sich bei einem tech­nol­o­gisch gener­ierten Motiv, einem Bild fotografis­chen Ursprungs. Doch übern­immt sie nicht ein­fach eine sozusagen natür­liche Fotografie, son­dern eine, welche selb­st bere­its weit­eren Trans­for­ma­tio­nen unter­zo­gen wurde: dig­i­tale Störun­gen, Druck­prozesse, Film­stills, Motion-Blur, eine Bewe­gung der Kam­era. Nad­jana Mohr weiß, dass eine Über­set­zung von Bild zu Malerei nicht ohne stetige Arbeit auf bei­den Seit­en funk­tion­iert. Ein Blitz der zack­ig-zügig, in Sekun­den Bruchteilen auf die fotografis­che Plat­te ein­schlägt, von ihr einge­fan­gen wird, muss von der Malerei, der ruhi­gen, unruhi­gen kör­pereignen Bewe­gung, dem steti­gen fließen des Lack­es, in der Zeit wieder freige­lassen wer­den. Zwis­chen dem Anfangs­bild und dem hier hän­gen­den Ergeb­nis ste­ht ein Tun zwis­chen Tech­nolo­gie und Kör­p­er. Die sechs weißen Katzen, einge­froren im Still, einge­fan­gen von der Kam­era, erhal­ten durch die Gestik eine Bewe­gung, eine Bewe­gung, die sich im Auge der Betra­ch­t­en­den wieder­holt. Von einem Bild zum andern, hin und her ziehend, ver­gle­ichend, die Trans­for­ma­tion und Über­set­zungsar­beit nachvol­lziehend. Die unterkom­plexe Unter­schei­dung zwis­chen Ana­log und Dig­i­tal, wird hier von einem steti­gen Tun mit dem Pin­sel bear­beit­et und vom Fließen des Lacks unter­laufen. Weiße Katzen schwim­men auf ölig schwarzen Pfützen.

Hier also zwei Posi­tio­nen, die wed­er bloß Übernehmen und Aneignen, noch ein bloßes Tun zele­bri­eren. Zwei Posi­tio­nen, die von einem Bild aus­ge­hend, vom Mate­r­i­al aus­ge­hend, eine Arbeit am Bild durch­laufen, das sich wed­er pla­nen lässt, noch ein­fach über­nom­men wird. Malereien die sich gegen die faulen Bilder stellen und eine Erfind­ung wagen. So schlage ich vor die Bilder nicht nur als Mate­ri­alereig­nis zu betra­cht­en oder als aus­ge­führtes Motiv, die Malereien nicht ein­fach einzurei­hen in schon Gewusstes, son­dern sich Zeit zu nehmen, mit ein­er Arbeit am Blick, Details unter die Lupe nehmend und Freude daran zu find­en, Erfind­un­gen zu ent­deck­en.

Manuel van der Veen