Vernissage with introduction by Manuel van der Veen
with the friendly assistance of
Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)
and Culture Bureau Karlsruhe
Introduction text:
Die Ausstellung Drawn Together von Melanie Dorfer und Nadjana Mohr ist eine Begegnung, ein freundschaftliches Aufeinanderstoßen. Die beiden Ausstellenden haben nun schon seit einiger Zeit ihre Arbeiten nebeneinander, miteinander und gegeneinander entwickelt. Nadjana Mohr generiert ihre Arbeiten in einem flirrendem Valeur von Graustufen, zwischen Schwarz und Weiß, während Melanie Dorfers Arbeiten in grellen Farben funkeln. Latenz gegen leuchtende Oberfläche. Die Hand reichen sich die beiden durch das Material Lack. Fließende Lacklachen und pochende Adern. Drawn Together — ein Gegenüber!
Manuel van der Veen
Address:
Nadjana Mohr und Melanie Dorfer kennen sich schon lange. Was nicht bedeutet, dass die Sache einfacher wird. Es heißt, dass diese Arbeiten sich heute nicht zum ersten mal begegnen, sondern sich seit langem nebeneinander, miteinander und auch gegeneinander entwickeln. Positionen die voneinander gelernt haben, sich voneinander abzugrenzen. Es ist nicht ganz einfach eine Gemeinsamkeit der Werke zu benennen, aber es ist ebenso schwierig einen Unterschied fest zu stellen, der nicht zu simpel ist. Selbstverständlich könnte man über die Farben sprechen, schwarz und weiß und die Farben, die auf der Skala dazwischen positioniert sind. Aber hat das Grau in Grau nicht einen schillernden Verlauf und behauptet nicht das Monochrom eine ähnliche Engstirnigkeit. Man könnte auch über die zackigen Linien sprechen von Nadjana Mohr und die organischen Formen von Melanie Dorfer, aber ich möchte etwas ganz anderes tun.
Ich habe in letzter Zeit viel über Faulheit nachgedacht. Warum man eigentlich über Faulheit lästert, wann Faulheit angebracht wäre, ob die Faulen wissen, dass sie faul sind und was man eigentlich tun soll, wenn es nichts zu tun gibt. In einer Gesellschaft, die von der Gleichung: Tun = Ergebnis lebt, trennen die Faulen, das Tun vom Ergebnis. Sie bleiben zu Hause, mit dem Satz “Wenn ich würde, dann könnte ich”. Sie genießen das Ergebnis ohne etwas dafür zu tun. Sie übernehmen einen Zustand, ohne ihn zu erarbeiten und denken es wäre dasselbe. Das Tun übernehmen Andere, die Faulen lehnen sich zurück und profitieren. Die Faulen trennen das Tun vom Ergebnis.
Man kann nun die Frage stellen: Was wäre denn ein faules Bild? Es wäre ein Bild, welches ohne Tun, ohne Bearbeitung einfach übernommen wird. Ein Ergebnis so vorgefunden und beansprucht, ohne gedankliche Zwischenarbeit, ohne jegliche Transformation. Ein Schnappschuss ohne zufällige Cleverness. Eine direkte Übersetzung ohne Gefühl für die unterschiedliche Sprache des Materials oder des Mediums. Ich spreche nicht vom Ready-Made. Die Arbeit dort steckt dann zwar nicht im Gegenstand, aber in der genauen Kenntnis, sowohl des herkömmlichen, als auch des neuen Ortes. Ich spreche von Bildern, welche angeeignet werden ohne Einverleibung — zu viel Kunst bedient sich dieser Methode. Wir sind umgeben von einer Vielzahl an Bildern und es stellt sich die Frage, ob es Sinn macht noch mehr Bilder hinzuzufügen. Aber ja, zu viele blinde und faule Bilder. Ein faules Bild ist ein vorgefundenes Ergebnis, eine bloße Dokumentation, eine Beschreibung, die ohne Tun, ohne Modulation, ohne Widerstand, geschluckt und konsumiert wird, ohne mehr als einen Finger zu bewegen.
Aber auch Bilder, welche aus dem bloßen Tun bestehen, auf die einfach nur draufgehalten wird, ohne etwas zu sagen, sind blinde Bilder, man tut etwas ohne Punkt. Man befindet sich im blinden Tun, man macht und macht, kleckst herum, trifft keine Entscheidungen und kommt nicht zum Ende, entzieht sich einer Stellungnahme.
Delacroix schreibt am 2. September 1854 in sein Tagebuch: “Die Gelehrten tun alles in allem nichts anderes, als in der Natur das zu finden, was darin ist. Der Gelehrte entdeckt die Elemente der Dinge, wenn man so will, und der Künstler komponiert und erfindet Elemente, die dort, wo sie sind, keinen Wert haben. Beim Maler wird die Ausführung nur unter der Bedingung schön sein, daß er es sich vorbehalten haben wird, sich ein wenig gehen zu lassen, im Tun zu finden.”
In der Malerei, so lese ich, findet man das Ergebnis im Tun, das nennt Delacroix eine Erfindung. So wird weder die Gleichung bedient, noch lässt man sie fallen, und fällt faul in den Sessel.
Ich erzähle das, weil ich denke diese Arbeiten, hier an diesem Ort, öffnen ein spezielles Verhältnis zwischen Tun und Ergebnis, durch dass sie sich beschreiben lassen. Sie sind weder faule Bilder noch bloßes Tun, sie generieren sich aus Konstellationen von Tun und Ergebnis, welche nicht in einer einfachen Gleichung aufgehen.
Bei Melanie Dorfer ein stetiges Wechselspiel, bei dem Tun und Ergebnis auf Augenhöhe liegen. Auf ein Tun der Farbe folgt ein Ergebnis folgt das Tun eines Eingriffes. Sie steckt dem Lack einen Rahmen ab, gibt dem Material, der Farbe freie Hand, sich der Gravitation, dem Fließen zu überlassen, Strukturen zu bilden und Glanzgrade zu schaffen. Aber dann wenn der Lack sich entschieden hat, reagiert sie auf das Ergebnis mit Tun. Nutzt die limitierte Kontrolle. Schicht um Schicht positioniert sie sich vor dem Ergebnis, um etwas zu erwidern.
Im Prinzip malt sie unaufhörlich die Leinwand selbst und die Leinwand selbst malt.
Das kann man bei ihr nicht direkt sehen, was entscheidend ist. Man sagt bei Frank Stella entscheidet der Rand des Rahmens über das ganze Bild. Aber auch bei Melanie Dorfer: ohne die vier Ecken des Rahmens und die Spannung der Leinwand gäbe es absurderweise keinen Kreis. Doch trotz dieser bodenständigen Beschäftigung mit dem Material der Leinwand und der Farbe wirken diese Malereien in ihrem facettenreichen Schimmern, ihrer überirdischen Struktur, als wären sie nicht von Hand gemacht. Ergebnis und Tun durchlaufen einen vielschichtigen Prozess. So wie die Farbe sich vereinigt und abstößt, so fügt Melanie Dorfer etwas hinzu und lehnt anderes ab.
Mit pochendem Zentrum pumpen die Malereien einen Strom von porösen Partikel über das Gewebe der Leinwand.
Während Nadjana Mohr sich zwischen zwei Ergebnissen, dem bloßen Tun, der Arbeit mit dem Pinsel verantwortet Sie bedient sich bei einem technologisch generierten Motiv, einem Bild fotografischen Ursprungs. Doch übernimmt sie nicht einfach eine sozusagen natürliche Fotografie, sondern eine, welche selbst bereits weiteren Transformationen unterzogen wurde: digitale Störungen, Druckprozesse, Filmstills, Motion-Blur, eine Bewegung der Kamera. Nadjana Mohr weiß, dass eine Übersetzung von Bild zu Malerei nicht ohne stetige Arbeit auf beiden Seiten funktioniert. Ein Blitz der zackig-zügig, in Sekunden Bruchteilen auf die fotografische Platte einschlägt, von ihr eingefangen wird, muss von der Malerei, der ruhigen, unruhigen körpereignen Bewegung, dem stetigen fließen des Lackes, in der Zeit wieder freigelassen werden. Zwischen dem Anfangsbild und dem hier hängenden Ergebnis steht ein Tun zwischen Technologie und Körper. Die sechs weißen Katzen, eingefroren im Still, eingefangen von der Kamera, erhalten durch die Gestik eine Bewegung, eine Bewegung, die sich im Auge der Betrachtenden wiederholt. Von einem Bild zum andern, hin und her ziehend, vergleichend, die Transformation und Übersetzungsarbeit nachvollziehend. Die unterkomplexe Unterscheidung zwischen Analog und Digital, wird hier von einem stetigen Tun mit dem Pinsel bearbeitet und vom Fließen des Lacks unterlaufen. Weiße Katzen schwimmen auf ölig schwarzen Pfützen.
Hier also zwei Positionen, die weder bloß Übernehmen und Aneignen, noch ein bloßes Tun zelebrieren. Zwei Positionen, die von einem Bild ausgehend, vom Material ausgehend, eine Arbeit am Bild durchlaufen, das sich weder planen lässt, noch einfach übernommen wird. Malereien die sich gegen die faulen Bilder stellen und eine Erfindung wagen. So schlage ich vor die Bilder nicht nur als Materialereignis zu betrachten oder als ausgeführtes Motiv, die Malereien nicht einfach einzureihen in schon Gewusstes, sondern sich Zeit zu nehmen, mit einer Arbeit am Blick, Details unter die Lupe nehmend und Freude daran zu finden, Erfindungen zu entdecken.
Manuel van der Veen